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Das Mädchen Lucia

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Lucia lebte vor langer Zeit in der Stadt Syrakus auf der Insel Sizilien. Ihre Mutter war krank, und deshalb besuchte sie gemeinsam mit Lucia in der Stadt Catania das Grab der heiligen Agatha. Dort beteten sie. Lucia glaubte fest an die Heilung der Mutter – und wirklich: Lucias Mutter wurde gesund.
Lucia war so froh, dass sie alles, was sie sich schon für ihre Hochzeit gespart hatte, zum Dank den Armen schenken wollte. Ihre Mutter war einverstanden. Außerdem versprach Lucia, dass sie nie heiraten werde.
Der enttäuschte Bräutigam aber, ein heidnischer junger Mann, war darüber sehr böse. Er zeigte Lucia als Christin beim Statthalter an. Zur damaligen Zeit war es noch verboten, Christ zu sein (erinnerst du dich, zur Zeit der heiligen Barbara war dies genauso).
Der Statthalter ließ Lucia auf einen Scheiterhaufen werfen und wollte sie verbrennen lassen. Doch das Feuer konnte ihr nichts anhaben. Da ließ er ihr einen Dolch durch den Hals stoßen. Aber Lucia lebte trotzdem noch so lange, bis sie die heilige Kommunion empfangen hatte. So erzählt es die Legende.
Lucia wird seit vielen Jahren als Heilige des Lichtes – auch als Beschützerin des Augenlichtes – am 13. Dezember verehrt. Besonders in Schweden wird ihr Fest groß gefeiert. Da ist Lucia die Lichtträgerin. Ein Mädchen mit einer Lichterkrone auf dem Kopf geht als heilige Lucia von Haus zu Haus und weist so mit ihrem Licht auf das kommende Licht hin, das nach den langen dunklen Nächten und den dunkelsten Tagen des Jahres aus dem Stall von Bethlehem aufstrahlen und der Welt Frieden schenken wird.

Zwölf mit der Post

Endlich kam der letzte Reisende zum Vorschein, das alte Mütterchen Dezember mit der Feuerkiepe; die Alte fror, aber ihre Augen strahlten wie zwei helle Sterne.

Sie trug einen Blumentopf auf dem Arme, in dem ein kleiner Tannenbaum eingepflanzt war. „Den Baum will ich hegen und pflegen, damit er gedeihe und groß werde bis zum Weihnachtsabende, vom Fußboden bis an die Decke reiche und emporschieße mit flammenden Lichtern, goldenen Äpfeln und ausgeschnitzten Figürchen. Die Feuerkiepe wärmt wie ein Ofen; ich hole das Märchenbuch aus der Tasche und lese laut aus ihm vor, dass alle Kinder im Zimmer still, die Figürchen am Baume aber lebendig werden, und der kleine Engel von Wachs auf der äußersten Spitze die Flittergoldflügel ausbreitet, herabfliegt vom grünen Sitze und klein und groß im Zimmer küsst, ja, auch die armen Kinder küsst, die da draußen auf dem Flure und auf der Straße stehen und das Weihnachtslied vom Bethlehemgestirne singen.“

„Heute Abend“, sagten alle, „heute Abend wird er strahlen.“

„Oh“, dachte der Baum, „wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Wald kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und Winter und Sommer geschmückt stehen werde?“

Ja, er wusste gut Bescheid; aber er hatte ordentlich Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfschmerzen für uns andere.

nach Hans Christian Andersen

Der echte Weihnachtsmann?

Fotografie  aus dem Band „Genesis“ von Sebastiao Salgado

Der brasilianische Fotograf Sebastiao Salgado reiste bis ans Ende der Welt, um ihren Anfang zu finden, den er in seinem Bildband mit dem Titel „Genesis“ – die Schöpfung eindrucksvoll dokumentierte.

Augen für das Unsichtbare

Es war einmal ein Mann, der hatte eine wunderbare Rinderherde. Alle Tiere trugen ein schwarz-weißes Fell, das geheimnisvoll war wie die Nacht. Der Mann liebte seine Kühe und führte sie immer auf die besten Weiden. Wenn er abends die Kühe beobachtete, wie sie zufrieden waren und wiederkäuten, dachte er: morgen früh werden sie viel Milch geben. Eines Morgens jedoch, als er seine Kühe melken wollte, waren die Euter schlaff und leer. Er glaubte, es habe an Futter gefehlt, und führte seine Herde am nächsten Tag auf saftigen Weidegrund. Er sah, wie sie sich satt fraßen und zufrieden waren, aber am nächsten Morgen hingen die Euter wieder schlaff und leer. Da trieb er die Kühe wiederum auf eine neue Weide, doch auch diesmal gaben sie keine Milch. Jetzt legte er sich auf die Lauer und beobachtete das Vieh. Und als um Mitternacht der Mond weiß am Himmel stand, sah er, wie sich eine Strickleiter von den Sternen heruntersenkte. Auf ihr schwebten sanft und weich junge Frauen aus dem Himmelsvolk herab. Sie waren schön und fröhlich, lachten einander leise zu und gingen zu den Kühen, um sie zu melken. Da sprang er auf und wollte sie fangen, aber sie stoben auseinander und flohen zum Himmel hinauf. Es gelang ihm aber, eine von ihnen festzuhalten, die allerschönste. Er behielt sie bei sich und machte sie zu seiner Frau. Täglich ging nun seine neue Frau auf die Felder und arbeitete für ihn, während er sein Vieh hütete. Sie waren glücklich und die gemeinsame Arbeit machte sie reich. Eines aber quälte ihn: Als er seine Frau eingefangen hatte, trug sie einen Korb bei sich. Niemals darfst du da hineinschauen, hatte sie gesagt. Wenn du es dennoch tust, wird uns beide großes Unglück treffen. Nach einiger Zeit vergaß der Mann sein Versprechen. Als er einmal allein im Hause war, sah er den Korb im Dunkeln stehen, zog das Tuch davon und brach in lautes Lachen aus. Als seine Frau heimkehrte, wusste sie sofort, was geschehen war. Sie schaute ihn an und sagte weinend: Du hast in den Korb geschaut! Der Mann aber lachte nur und sagte: Du dummes, dummes Weib, was soll das Geheimnis um diesen Korb? Da ist ja gar nichts drin! Aber noch während er dies sagte, wendete sie sich von ihm ab, ging in den Sonnenuntergang und wurde auf Erden nie wieder gesehen. Und wisst ihr, warum sie wegging? Nicht, weil der Mann sein Versprechen gebrochen hatte. Sie ging, weil er die schönen Sachen, die sie vom Himmel für beide mitgebracht hatte, nicht sehen konnte und darüber sogar noch lachte.

Was hätte der Mann denn wohl in dem Korb entdecken können? – Liebe, Freundschaft, Wertschätzung, Dankbarkeit,  Mitgefühl, Verständnis, … alles unsichtbare Schätze, die jeder von uns bei sich trägt. Unsichtbar – doch lebensnotwendig.

Nur sehen wir sie eben meist nicht. Nicht bei uns selbst und auch nicht beim anderen.

Lasst uns heute doch mal Körbe öffnen und genau hinsehen – vielleicht kommt dabei der ein oder andere ungeahnte Schatz zum Vorschein!